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Mittwoch, 5. Oktober 2011

Neues iPhone 4S im Test

Enttäuscht ein bisschen, hört aber immerhin zu

Das Design? Fast unverändert. Der Prozessor? Etwas schneller. Die Kamera? Ein bisschen besser. Apples iPhone-Präsentation in London ernüchterte viele Beobachter. Und doch gibt es ein potentielles Highlight: die Sprachsteuerung. Matthias Kremp hat das Gerät getestet.

Wo ist da jetzt der Unterschied? Auf den ersten Blick ist nicht die kleinste Differenz zwischen dem schneeweißen iPhone 4S und einem herkömmlichen iPhone 4 zu erkennen. Also muss ein Test bei der Präsentation in London Klarheit bringen.

Für die erste Praxisprüfung des neuen Apple-Handys werde ich in einen abgedunkelten Raum geführt. Die Wände sind mit dicken, schwarzen Stoffen behängt, die nicht nur das Licht dämpfen, sondern auch jegliche Nebengeräusche verschlucken. Auf einem weißen Tisch liegt das neue, schneeweiße iPhone 4S. Es muss ein Prototyp sein, trägt keine Kennzeichnung, die auf seinen Speicherplatz hinweist.

Es fühlt sich anders an als das schwarze iPhone 4, das ich zum Vergleich dabei habe. Irgendwie wirken die Kanten schärfer konturiert. Ob es an der neuen Doppelantenne liegt? Oder bloß daran, dass das iPhone 4 schon so abgenutzt ist? Der Effekt erinnert jedenfalls an den Unterschied zwischen der Kupplung eines Neuwagens und der eines Autos, das schon ein paar zehntausend Kilometer gefahren wurde.

Aber beim neuen iPhone sollen die Unterschiede ja auch unter der Haube liegen, nicht in der Hülle. Der Prozessor ist jetzt schneller. Es ist derselbe Apple-A5-Dualcore-Chip, der auch das iPad antreibt. Ob das nötig ist? Ansichtssache. Mir kam schon das iPhone 4 nie langsam vor. Aber beim 4S bemerkt man eben doch ein paar Unterschiede. Zum einen bei Spielen, das ist offensichtlich. Die Grafikeinheit im A5-Chip soll siebenmal schneller sein als die im A4 des iPhone 4. Für Gamer mag das wichtig sein, sie werden es aber erst richtig merken, wenn Spiele herauskommen, die die neue Leistung auch ausnutzen.

Schneller und schlauer knipsen

Mir dagegen gefällt, dass die Kamera-App jetzt viel schneller startet. Ist das Handy im Ruhezustand, genügt ein Doppeltipp auf die Home-Taste, um ein Kamerasymbol auf den Bildschirm zu holen. Ein Tipp darauf, und eine Sekunde später ist die Kamera startklar. Beim iPhone 4 dauert das gut doppelt so lange.

Ob die Qualität der Kamera hält, was Apples Manager von der neuen Linsenoptik und dem 8-Megapixel-Sensor versprechen, lässt sich nicht beurteilen. Dafür gibt mein schwarzweißes Umfeld nicht die passenden Motive her. Nur so viel kann ich erkennen: Die neuen Bildverbesserungsfunktionen arbeiten schnell und effektiv, beseitigen rote Blitzaugen automatisch, verbessern Kontrast und Farbigkeit.

Auch das Notification Center von iOS 5 macht Spaß, informiert über neue Nachrichten, Verabredungen, Mails, das Wetter, Aktienkurse und anderes, ohne dabei zu nerven. Mindestens ebenso nützlich ist die Erinnerungen-App, die offenbar viel mehr kann als bloß gelbe Post-its digital zu ersetzen.

Die deutsche Siri weiß weniger als die englische

Aber ehrlich gesagt sind das alles nette Randerscheinungen - Ergänzungen des bisherigen iOS-Systems, die nützlich, aber nicht kriegsentscheidend sind. Was mich wirklich interessiert, ist, ob die Sprachfunktionen tatsächlich so elegant und tiefschichtig funktionieren, wie es iOS-Chefentwickler Scott Forstall gezeigt hat. Ich als deutscher Muttersprachler gehöre schließlich zu einer von Apple privilegierten Kaste. Denn außer Englisch hat Apple seinem Siri genannten "Persönlichen Digitalen Assistenten" bisher nur Französisch und Deutsch beigebracht.

Also spreche ich ins Mikro, was mit gerade einfällt und naheliegend scheint: "Wie komme ich von hier zu meinem Hotel zurück?" Eine Antwort auf diese Frage bleibt mir Siri schuldig. Dabei hatte doch Forstall ganz ähnliches auf der Bühne in Cupertino live gezeigt. Die Erklärung: Siri kann zwar Deutsch, doch nicht alle Datenbanken, auf die das System zurückgreift, sind auf Deutsch verfügbar. Deshalb kennt die deutsche Variante weder Reise- noch Routeninformationen. Und auch sonst muss sie bei mancher Frage passen. Oft nämlich greift Apples sprachgesteuerter Assistent auf Informationen der Wissensdatenbank Wolfram Alpha zurück, die in weiten Teilen nur auf Englisch verfügbar ist. Schade, aber Siri sei eben noch Beta, noch nicht fertig, wird mir erklärt.

Ist Siri eine Person?

Dass Siri trotzdem auch jetzt schon beeindruckend funktioniert und mir einige Routineaufgaben abnehmen kann, merke ich wenig später. Als ich sage: "Erinnere mich daran, dass ich Blumen für meine Frau kaufe, bevor ich nach Hause fahre", reagiert Siri, indem sie mir mitteilt, sie habe einen Erinnerungseintrag erzeugt, der mich um 18 Uhr darauf hinweisen werde, dass ich noch Blumen kaufen wollte. Ganz ähnlich kann ich per Sprachbefehl das Wetter abfragen, mich erkundigen, wie es um den Dax steht und ähnliches. Chapeau! Siri funktioniert prima. Sie braucht nur noch ein paar weitere deutschsprachige Wissensdatenbanken, um mehr Antworten liefern zu können.

Auf jeden Fall hat es bei mir nur wenige Minuten gedauert, bis ich Siri, die mit weiblicher Stimme kommuniziert, wie eine Person anspreche, fast schon in einen Dialog mit ihr trete, obwohl ich es doch eigentlich nur mit einer App aus Bits und Bytes zu tun habe.

Wo und wann?

Die Spracherkennung und Assistenzfunktion Siri ist es dann auch, die das iPhone 4S einzigartig macht. Dualcore-Prozessoren, hochauflösende 8-Megapixel-Kameras, das haben andere Handys auch, damit kann Apple niemanden ernsthaft beeindrucken. Einen digitalen Assistenten wie Siri aber gibt es bisher nicht, schon gar nicht auf einem Handy. Und Siri wird vorläufig eine "iPhone 4S only"-Funktion bleiben. Auf anderen Apple-Handys wird es die Assistentenfunktionen auch nach einem Update auf iOS 5 nicht geben. Nur der A5-Prozessor liefere die dafür nötige Leistung, begründet Apple diese Einschränkung.

Bleibt die Frage, wann und wie man Siri einsetzen will - und mag. In einer vollbesetzen U-Bahn auf den Home-Button zu drücken und die Anweisung zu geben, dass man am nächsten Morgen um 6 Uhr geweckt werden möchte, ist ebenso wenig jedermanns Sache wie die Option, E-Mails in der Öffentlichkeit zu diktieren. Immerhin kann man seine Anweisungen auch etwas dezenter loswerden, wenn man das Handy einfach ans Ohr führt, statt auf den Home-Button zu drücken. Diese Geste interpretiert Siri als Aufforderung, sich befehlsbereit zu schalten. Und mit dem iPhone am Ohr spricht es sich möglicherweise viel angenehmer mit der digitalen Assistentin.

Leicht wird das nicht

Fraglos ist dagegen, dass die Spracherkennung bei Tätigkeiten wie Autofahren, Joggen, Radfahren ungemein nützlich sein kann. Und wenn man mit sich und seinem Telefon allein ist, dürften der sprachgesteuerten Bedienung ohnehin keine Hindernisse mehr im Weg stehen.

Äußerlich ist das Modell 4S, wie eingangs erwähnt, vom Vorgänger nicht unterscheidbar und deshalb als Statussymbol für Early Adopter nicht tauglich. Siri könnte das wettmachen.

Und genau das hat Apple nötig. Denn mangels Designänderung werfen schon jetzt viele Kritiker Apple vor, mit dem iPhone 4S zu enttäuschen, schließlich habe alle Welt auf ein iPhone 5 gewartet. Allerdings haben dieselben Leute auch ein abgespecktes iPhone 4 unter der Bezeichnung 4S erwartet. Das, was Apple nun vorgestellt hat, ist aber alles andere als ein Sparversion vom iPhone 4.

Die Anleger jedenfalls zeigten sich enttäuscht. Die Aktie, die kurz vor Beginn der Präsentation noch bei 380 Dollar stand, fiel nach der Veranstaltung zunächst auf rund 357 Dollar - ein Minus von fast fünf Prozent im Vergleich zum Schlusskurs vom Montag.

Wäre das neue Modell nur ein paar Millimeter dünner, hätte vielleicht einen minimal breiteren Bildschirm, würden die Kritiker jetzt womöglich jubilieren, von einem schnelleren, sprachgewandten Apple-Handy, das so viel mehr kann als ein iPhone 4.

Aber eine solche Designänderung, die nach außen signalisiert hätte: "Hier passiert etwas Neues", hat es eben nicht gegeben. Und so wird das iPhone 4S eben doch nur als Upgrade und nicht als Nachfolger betrachtet werden. Und es wird es schwerer haben als seine Vorgänger, sich durchzusetzen, gegen das, was in den kommenden Wochen von Samsung, HTC, Nokia und anderen gegen Apples Smartphone-Vormacht in Stellung gebracht werden wird.

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